„Weil es immer so war.“

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Dieser Satz von Michael Spindelegger, gefallen in einem ZiB2-Special am 20. Jänner 2013, bringt das ganze Programm der ÖVP auf den Punkt. Es geht ihr ausschließlich um ein Konservieren der Vergangenheit oder zumindest des Ist-Zustands. Und selbst dort, wo sie sich das Mäntelchen der „Reform“ umhängt, geht es ihr um ein Zurückdrehen der Zeit – zuletzt etwa in ihrer Forderung, die Arbeitszeitbegrenzung aufzuheben.

Die ÖVP ist keine moderne konservative Partei, wie es sie in vielen Ländern Europas gibt. Es ist kein Zufall, dass diese Parteien oft Regierungen anführen und über 40% der Stimmen auf sich vereinen, während die ÖVP seit Jahrzehnten substantiell an Stimmen verliert und sich bei den Wahlergebnissen bei plus/minus 25 Prozent eingependelt hat. Denn diese modernen konservativen Parteien haben anders als die ÖVP kein Problem damit, Veränderung und Fortschritt zu akzeptieren – und in ihrem Sinne mitzugestalten. Die ÖVP hingegen befindet sich in einem permanenten Abwehrkampf gegen Veränderung und gegen den Fortschritt, den sie möglichst verhindern oder zumindest hinauszögern möchte. Für noch einmal fünf oder zehn Jahre. Besser: noch länger, am besten: bis in alle Ewigkeit.

Dabei ist auch politisch neutralen Beobachtern völlig klar, dass

  • etwa im Bildungsbereich über kurz oder lang an der zunächst Ganztags- und dann Gesamtschule kein Weg vorbeiführen wird
  • der Staat nicht mehr lange den Faktor Arbeit so stark belasten und dafür große Vermögen schonen kann
  • in ein paar Jahren die Wehrpflicht ausgedient haben und ein Freiwilligenheer kommen wird

Spindeleggers eingangs zitierter Sager „Weil es immer so war“ fiel übrigens im Zuge der Diskussion über die Abschaffung der Wehrpflicht. Konkret bezog sich Spindelegger dabei auf die im Vergleich zum Wehrdienst um drei Monate längere Zivildienstdauer. Im Gegensatz zu dem, was Spindelegger behauptete, hat sich die Zivildienstdauer im Lauf der Jahre und Jahrzehnte aber sehr wohl immer wieder verändert. Der Zivildienst war eine Zeitlang auch gleich lang wie der Wehrdienst. Das ist der normale Lauf der Dinge: Rahmenbedingungen, zu denen im konkreten Fall des Wehr- und Zivildienstes Bedrohungsszenarien und gesellschaftliche Einstellungen gehören, ändern sich immer wieder – und die Politik muss immer wieder darauf reagieren. Der ÖVP wäre es am liebsten, wenn immer alles so bleibt wie es immer war. Und dort, wo ihr ein ständigen Veränderungen unterworfener Ist-Zustand gerade ins politische Konzept passt, wird dieser kurzerhand und wahrheitswidrig zu einer unveränderlichen Tradition erklärt.

Mit dieser verlogenen und reaktionären Einstellung lassen sich vielleicht kurzfristige politische Erfolge feiern, aber auf Dauer kein Staat machen, vor allem kein moderner und zukunftsfähiger Staat.

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