Michael Spindelegger. Der Parteisoldat

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Der Name Michael Spindelegger wurde einer breiteren Öffentlichkeit zum ersten Mal Ende der 1980er Jahre bekannt. Und das gleich in einem zwielichtigen Zusammenhang: Im Zuge einer Razzia war in der Villa eines Waffenlobbyisten ein Aktenvermerk gefunden worden: „Spindelegger: 1: Parteienfinanzierung; zwei Millionen; 2: Auftragsvolumen: 35 Mio…“.

spindeleggerSpindelegger war zum damaligen Zeitpunkt Ministersekretär im Büro von Verteidigungsminister Robert Lichal, der auch als sein politischer Ziehvater gilt. Lichal, auch bekannt unter seinen Spitznamen „Django“ und „Revolverhofrat“ und führender Vertreter  der erzkonservativen „Stahlhelm-Fraktion“ in der ÖVP, hatte 1987 den Kauf von Übungsmunition beim Schweizer Rüstungskonzern Oerlikon zum Kaufpreis von umgerechnet 2,5 Millionen Euro  veranlasst. Der Kauf war im Bundesheer selbst heftig umstritten und die Umstände dubios: Der für Oerlikon tätige Waffenlobbyist war nämlich ein Duzfreund von Lichal und wie dieser Mitglied im ÖVP-nahen Cartellverband (CV). Die Staatsanwaltschaft Wien begann 1988 mit Vorerhebungen; 1989 wurden gegen Lichal und seinen Sekretär Spindelegger sogar Voruntersuchungen wegen des Verdachts der Untreue eingeleitet.

In diesem Zusammenhang kam es auch zu einer Hausdurchsuchung bei Spindelegger. Die Behörden durchsuchten damals seine Wohnung in der Hinterbrühl – übrigens eben jene Sozialwohnung, die er 1988 auf Vermittlung seines Vaters (damals Bürgermeister von Hinterbrühl) bekommen hatte und die im Frühjahr 2013 in die Schlagzeilen geriet, weil sie den Forderungen der ÖVP nach einer Vergabe von Sozial- und Gemeindewohnungen nur an Geringverdienende die Glaubwürdigkeit nahm (Spindelegger behauptet, er hätte damals freiwillig einen Aufpreis zur Miete gezahlt, indem er einem Sozialfonds für Bedürftige Spendengeld zukommen ließ – Belege dafür hat er der Öffentlichkeit versprochen, aber bis heute nicht präsentiert).

Die Ermittlungen im sogenannten „Oerlikon-Skandal“ wurden Ende 1990 eingestellt – ein Umstand, den Spindelegger 2010 nach seiner Kür zum neuen Bundesparteiobmann der ÖVP eigens betonte: „Das Verfahren, von dem hier die Rede ist, wurde vor über 20 Jahren eingestellt. Die Vorwürfe waren an den Haaren herbeigezogen und haben keiner juristischen Prüfung standgehalten.“

Der damals ermittelnde Staatsanwalt Wolfgang Mekis sieht das im
Rückblick anders. Er hätte vor allem auch wegen des Verdachts der Parteienfinanzierung gerne weiterermittelt, doch der damalige, der ÖVP nahestehende Justizminister Foregger hatte ihm den Fall entzogen, sogar ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet und die Oberstaatsanwaltschaft mit den weiteren Erhebungen betraut (Mekis versuchte sich gegen die beispiellose Entziehung des Falles durch Justizminister und Oberstaatsanwaltschaft zu wehren, indem er mittels einer Pressekonferenz an die Öffentlichkeit ging).

Mekis Fazit heute gegenüber derStandard.at: „Der Fall war ein klassisches Beispiel dafür, wie sich die Politik in die Justiz einmischt.“

Immerhin hatte der Waffenlobbyist selbst explizit „Parteienfinanzierung“ erwähnt; damit nicht genug, gab es auch ein Dankschreiben von Lichal an den Waffenlobbyisten, in dem sich der Verteidigungsminister für den „Fliederbusch“ bedankte – „Flieder“ ist in der Wiener Gaunersprache bekanntlich ein anderes Wort für Geld…

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Da die Ermittlungen damals aber offiziell eingestellt wurden, konnte Spindelegger seine politische Karriere fortsetzen. Unmittelbar nach der ausgestandenen „Oerlikon-Affäre“ absolvierte er im Rahmen eines Trainee-Programms der Industriellenvereinigung eine Reihe von mehrmonatigen Praktika bei großen Unternehmen wie Siemens und Alcatel. Bei diesem kurzen Hineinschnuppern Spindeleggers in die „Privatwirtschaft“ sollte es jedoch bleiben; ab 1992 setzte er zielstrebig seine politische Laufbahn fort: Abgeordneter zum Bundesrat und Nationalrat, EU-Abgeordneter, ÖAAB-Vorsitzender, Nationalratspräsident, seit 2010 Außenminister und im selben Jahr auch seine Wahl zum ÖVP-Obmann als Nachfolger von Josef Pröll.

Spindeleggers Installierung als neuer ÖVP-Obmann erfolgte allerdings überfallsartig und vor allem auf Betreiben von Erwin Pröll, dessen mächtige ÖVP-Landesorganisation Niederösterreich auch der politische „Stall“ ist, aus dem Spindelegger kommt. Gerade die Rolle von Pröll, mächtigster Mann innerhalb der ÖVP, bei der Installierung Spindeleggers wirft die Frage auf, wie mächtig Spindelegger selbst innerhalb der ÖVP ist und wie eigenständig er agieren kann. Oder mit anderen Worten: Ist er wirklich der Kommandierende oder noch immer nichts mehr als ein treuer Parteisoldat und Befehlsempfänger?

Bemerkenswertes biographisches Detail: Als Spindelegger 1977-78 seinen Präsenzdienst als Einjährig-Freiwilliger ableistete, da war der heutige Raiffeisen-Chef und damalige Berufssoldat Erwin Hameseder sein Ausbildner. Spindelegger erinnert sich: „Die Ausbildung durch Erwin Hameseder war hart, aber auch sehr aufschlussreich. Davon haben wir alle profitiert.“

Die federführende Rolle Raiffeisens kürzlich bei der Pro-Wehrpflicht-Kampagne, aber auch bei anderen politischen Themen lässt freilich die Frage aufkommen: Folgt Spindelegger auch heute noch den Befehlen von Hameseder? Und wie verhält es sich nun genau mit dem Einfluss von Raiffeisen auf die ÖVP?

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