Der Name Ernst Strasser steht neben dem von Mensdorff-Pouilly als Synonym für eine Kultur der Korruption, die sich unter Schwarz-Blau-Orange in Österreich ausgebreitet hat.
In Strassers frühem Werdegang spiegelt sich noch der Zeitgeist der 1970er Jahre: So forderte er 1976 als Studentenvertreter und Vorsitzender der Hochschülerschaft an der Universität Salzburg die Abschaffung des Bundesheeres. Konsequenterweise leistete er 1980 auch keinen Wehr-, sondern einen Zivildienst.
Strassers eigentliche politische Tätigkeit begann dann 1992 – da wurde er Geschäftsführer der ÖVP Niederösterreich. Der langjährige Landtagsabgeordnete und ÖVP-Aussteiger Alfred Dirnberger erinnert sich, dass Strasser damals von Erwin Pröll mit dem expliziten Auftrag geholt wurde, „Alois Mock, Robert Lichal und Siegfried Ludwig politisch zu entmachten“.
In einem Rückblick auf diese frühe Phase von Strassers Polit-Karriere schrieb „Die Presse“ im Jänner 2013: „Als Erwin Pröll Landeshauptmann in Niederösterreich wurde, suchte er nach einem Parteisekretär: Einem, der im Tagesgeschäft dem Parteichef den Rücken frei hält, und keine Hemmungen hat, mit harten Bandagen zu kämpfen. Ernst Strasser hat diesen Auftrag perfekt erfüllt. Das System Pröll, das dem Landeschef ungezügelte Machtbefugnisse verschaffte und die Opposition zur Marginalie verkommen ließ, war zu einem guten Teil auch ein System Strasser.“
Als Wolfgang Schüssel im Jahr 2000 sein schwarzblaues Abenteuer startete, da wurde Strasser Prölls Mann in der Regierung. In seiner Funktion als Innenminister erwarb er sich zunächst den Ruf des „Liberalen“ in der nationalkonservativen Regierung – primär deshalb, weil er gegen die Demonstrationen gegen Schwarz-Blau nicht mit Polizeigewalt vorgehen ließ.
Hinter der Maske des Liberalen ging Strasser allerdings mit voller Härte daran, den Polizeiapparat umzugestalten. Nicht nur die Autos und Uniformen der Polizisten und Polizistinnen bekamen eine neue Farbe (das Spinatwachtergrün wich einem Marineblau), die Polizei insgesamt wurde von Strasser umgefärbt. Die Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie – für sich gesehen durchaus ein Reformwerk – bot Strasser die Gelegenheit, alte Organisationsstrukturen und Führungsstäbe in großem Stil zu zerschlagen. SPÖ-nahe Spitzenpolizisten wurden konsequent von ihren Positionen entfernt und durch ÖVP-Parteigänger ersetzt.
Dieser rein parteipolitisch motivierte Radikalumbau im Innenministerium und bei der Polizei hatte eine dramatische Verschlechterung der Sicherheitslage zur Folge. Da bei der Kriminalpolizei erfahrene Beamte gezielt hinausgedrängt und damit funktionierende Strukturen zerstört wurden, stieg die Kriminalität unter Schwarz-Blau-Orange im Jahr 2005 auf den Rekordwert von 605.272 angezeigten Straftaten (ein Plus von 22 Prozent im Vergleich zu 1999, dem Jahr unmittelbar vor Strassers Amtsantritt). Gleichzeitig sank die Aufklärungsquote zwischen 1999 und 2005 von über 51 Prozent auf 36,9 Prozent.
Die Sicherheit der Bevölkerung war für Strasser allerdings nachrangig. Wichtig war ihm primär, Tausende Polizisten abzubauen und Polizeiposten zuzusperren. Ein Kahlschlag, von dem sich die Polizei bis heute nicht erholt hat.
Wie skrupellos Strasser bei der Umgestaltung und Umfärbung des Polizeiapparats vorgegangen ist, belegen E-Mails zwischen ihm und seinen engsten Mitarbeitern (die nach wie vor im Innenministerium tätig sind und seitdem teilweise sogar steile Karriere gemacht haben). Diese E-Mails gelangten später über die Zeitschrift „Falter“ und den Blog von Peter Pilz auch an die Öffentlichkeit und hatten 2008 eine Anzeige wegen Amtsmissbrauchs zur Folge, die vom Staatsanwalt aber solange „übersehen“ wurde bis sie verjährt war…
In der Falle von „Sunday Times“
Vor dem Hintergrund dieser ausgesprochen unguten Optik und in Anbetracht der schweren Anschuldigungen gegen Strasser war es umso überraschender, dass er 2009 dann als Spitzenkandidat der ÖVP für die EU-Wahl präsentiert wurde. Die ÖVP gab Strasser damals den Vorzug vor dem verdienten und auf europäischer Ebene hoch angesehenen Othmar Karas – ein verheerender Fehler, den Josef und Erwin Pröll damals bei der Kandidatenkür begingen, denn Strassers Auftritt als EU-Parlamentarier und ÖVP-Delegationsleiter im Europaparlament endete 2011 in Schimpf und Schande, als er britischen Aufdeckungsjournalisten der “Sunday Times” in die Falle ging, denen er sich vor laufender Kamera als mietbarer Lobbyist feilgeboten hatte.
Die zwei verdeckten Journalisten gaben sich als Lobbyisten von Investment-Unternehmen aus und versuchten, beim ÖVP-Delegationsleiter Ernst Strasser Gesetzesänderungen bei geplanten Richtlinien im Finanzsektor und Anlegerschutz zu erreichen. Mit „Erfolg“: Strasser leitete die Änderungswünsche an die in der ÖVP-Delegation zuständigen Othmar Karas und Hella Ranner weiter und bemühte sich in Folge persönlich, die Einbringung der Änderungen in den zuständigen Ausschüssen zu erwirken. Strasser wurde dafür wegen Bestechlichkeit nicht rechtskräftig zu 4 Jahren unbedingter Haft verurteilt.
Das Gespräch mit den Sunday Times im Wortlaut auf ORF.at: „Ich bin sehr diskret“
Aus dem Europaparlament ist Strasser in der Folge ausgeschieden, ob er auch aus der ÖVP ausgeschieden ist, muss mit einem Fragezeichen versehen werden. Gesichert ist, dass Strasser seine Parteimitgliedschaft ruhend gestellt hat. Offiziell ausgeschlossen dürfte ihn die ÖVP aber bis heute nicht haben.
Nicht nur deshalb sind die Distanzierungen der ÖVP von Strasser so wenig überzeugend. Strasser war über viele Jahre eine Schlüsselfigur in der ÖVP und hat entscheidend dazu beigetragen, ihren Einfluss- und Machtbereich auszudehnen. Dabei hat er ein System aufgebaut, das nicht mit seinem Abgang aus der Politik verschwunden ist. Strasser war ein schwarzes Schaf – in einer schwarzen Herde. Oder ein fauler Apfel, der nicht weit vom Stamm gefallen ist…